Es ist wohl eine ganz natürliche Sache, dass Leute, die ihr Hobby sehr mögen, gern „gut darin“ werden wollen. Gerade vor der besonderen Rolle als Spielleitung scheint man großen Respekt zu haben. Ich selbst – nur mit viel gutem Willen mittelgute Spielleitung – würde vorschlagen, diese Ehrfurcht vor dem Spielleiten zu vergessen und es einfach zu tun: Es kann unmöglich so peinlich werden, wie du es dir gerade in deinem Kopf ausmalst. Darauf würde ich wetten. (Falls ich Unrecht hatte, reiche bitte eine Beschwerde in den Kommentaren ein.)
Ich bin ebenfalls nicht so sicher, was Ratgeber für Spielleitungen angeht. Es scheint einige sehr hilfreiche Bände zu geben (ich höre z.B. Gutes über die The Lazy Dungeon Master Reihe von Michael Shea), aber viele dieser Bücher aus dem angloamerikanischen Raum sind vor allem für D&D ausgelegt und sehr, sehr oft haben die Autor*innen ausschließlich Erfahrung mit diesem Regelwerk und vielleicht einigen seiner Varianten – also actionlastigen bis wargaming-inspirierten taktischen Herausforderungen. Stufen- und Klassenbasierten Regeln und so weiter sind zumeist Kern des Spielerlebnisses.
Wer nun hierzulande eher Das Schwarze Auge leiten möchte, kann einen großen Teil der Tipps aus diesen Büchern kaum anwenden, weil der Kern des Spieles eigentlich etwas anderes ist. Außerdem kann ich gut verstehen, wenn solche wohlgemeinten Bücher einen gegenteiligen Effekt haben: „Wir machen das alles anders und wir haben zwar trotzdem Spaß, aber bin ich dann überhaupt eine gute Spielleitung?“ (Ja, natürlich.)
Mir half es, unterschiedliche Regelwerke zu lesen. So richtig hat sich Fate am Markt nicht durchgesetzt, aber es half mir sehr, Charakterisierung und gemeinsames Erzählen aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die powered by the Apocalypse-Spiele gaben mir einen neuen Blick auf Genres und das Spiel mit Klischees und Tropes. Runequest half mir, die Funktion von Kulturen, Mythologie und Religion im Rollenspiel neu zu denken und sie als Fundamente von Spielwelten zu begreifen und ebenso die Rolle von Charakteren als Teil dieser Welt verstehen. Gumshoe hat typische Probleme beim Leiten von Detektivabenteuern weitgehend gelöst. Die Old School Rollenspiele haben mir beigebracht, wie herausforderungsorientiertes Rollenspiel richtig Spaß machen kann und wie man Abenteuer gut strukturiert. Ganz aktuell wird mir dank einiger ganz neuer Titel gerade aus dem Erzählerischen bewusst, dass ganz viele meiner Runden immer schon eine „Found Family“ für die SC gewesen sind und dass ich diesen Aspekt gerade in längeren Kampagnen viel mehr betonen könnte. Und so weiter, und so weiter.
Ich sage nicht, dass ihr all euer Geld in zig obskure Regelwerke investieren sollt, die ihr vermutlich nie alle spielen werdet (ich rate ausdrücklich auch nicht davon ab!). Ich bin allerdings überzeugt davon, dass man mehr „geistige Werkzeuge“ im Kopf haben wird, wenn man unterschiedliche Herangehensweisen anderer Spieldesigner*innen lernt. Wenn ihr es mir gleich tut, dann denkt ihr vielleicht auch in Zukunft öfters Sachen wie: „hat die Person denn wirklich noch nie pbtA gespielt?“ und vielleicht fühlt ihr euch dann vielleicht ein kleines bisschen weniger unsicher, wenn euch ein bestimmtes Regelwerk in bestimmten Situationen im Stich lässt.
Habt ihr vielleicht Tipps für Regelwerke, die ihr mit Gewinn und Spaß gelesen habt?
@Moonmoth Je mehr Rollenspielbücher ich lese, desto mehr sehe ich "Regelnwerke", oft an ein Setting als Geschmachrichtung gekoppelt, als sozialen Vertrag zwischen den Spielenden (Spielleitung eingeschlossen) wie man gemeinsam Spaß hat. Das haben mir besonders "Heart – The City Beneath" und "Blades in the Dark" klar gemacht. Beide verknüpfen ihre Intention und die Abbildung davon in Regelmechanik sehr geschickt. Und es ist hilfreich das vorab zu kommunizieren.
Dem Beitrag kann ich nur von ganzem Herzen zustimmen!
@Moonmoth Ich empfehle mal Fiasko.