„Show, don’t tell“ im Rollenspiel

Show don't Tell - ein Zeigefinger-Icon neben einem durchgestrichenen Sprechblasen-IconVor einer Weile wurde ich in den Kommentaren zu Ein Quantum Setting darum gebeten, noch einmal genauer auf „Show, don’t tell“ einzugehen. Eigentlich handelt es sich dabei um eine grundlegende Richtlinie für Schreibende: Beschreibe lieber etwas (einen Gegenstand, einen Sinneseindruck, eine Emotion…), anstelle einfach dessen Bedeutung wiederzugeben. Zugegeben : Im Rollenspiel klingt es ja schon etwas merkwürdig, weniger zu erzählen, sondern mehr zu beschreibe: Es ist schließlich kein Film, kein Drehbuch, sondern in erster Linie ein Medium, das im Dialog funktioniert und nicht etwa durch die Kameraführung oder das Bühnenbild. Aber es macht durchaus Sinn, darüber nachzudenken. Einige Bespiele:

„Die ersten warmen Tropfen fallen auf deinen Kopf und schon bald kleben eure Kleider auf der Haut“

anstelle „Es beginnt zu regnen“.

Der Boden gibt unter euren Stiefeln nach und gibt sie nur widerwillig mit einem feuchten Schmatzen wieder frei"

anstelle „Der Weg ist vom Regen schlammig geworden und ihr kommt nur langsam voran.“

Als ihr den Namen des Zauberkundigen erwähnt, verzieht die gebeugte Frau den Mund und spuckt über ihrer Schulter aus.

anstelle „Ihr merkt schnell, dass der Zauberer in diesem Dorf wohl nicht besonders beliebt ist.“

Auf diese Weise kann eine SL die Spielenden besser in ihre Welt integrieren, indem sie direkter vermittelt, wie die SC sie erleben. Andererseits besteht immer die Gefahr, dass allzu blumig und wortreich fabuliert wird und einfachste Szenen unnötig Zeit in Anspruch nehmen - es braucht Übung, um dafür ein Gefühl zu entwickeln. Um eine Stimmung zu vermitteln, ist so ein beschreibender Stil sehr wirkungsvoll - nicht nur in einer Spielrunde, sondern auch in Vorlesetexten in eigenen Abenteuern, so man sie denn verwenden mag.

Ich mag es auch gern, Aspekte der Spielwelt zu beschreiben um nicht in Vorträge zum Hintergrund abzugleiten, die auch die munterste Runde effektiv ausbremsen können.

Vielleicht also nicht:

Rechts von euch seht ihr eine Statue der Ackergöttin Gornalla mit Opfergaben anlässlich einer erfolgreichen Ernte. Gornalla ist eine wichtige Gottheit für die Landbevölkerung, denn… [viertelstündiger Vortrag gekürzt]“

Eher:

Am Wegesrand seht ihr eine grob in Stein gehauene Kultur, die aber ganz offensichtlich eine weibliche Figur darstellen soll. Daneben liegt Obst und Gemüse und Gemüse darum gestellt, daneben liegen Getreidefladen. Die Skulptur selbst trägt eine Krone aus geflochtenen Kornblumen.“

Wenn die SC nicht selbst auf die Bedeutung kommen, kann die SL das Wissen eines SC anspielen, um ihn an seinen Platz in der Spielwelt zu erinnern:

Karhan, du weißt natürlich um diesen Brauch. Schließlich hast du selbst als Kind einer Bauernfamilie Kornblumenkronen geflochten, um Gornalla für eine gute Ernte zu danken. Du erinnerst dich an die Feiern, den Tanz und das gute Essen.

Manchmal ist es aber auch eine gute Idee, solche Eindrücke nicht weiter zu kommentieren und nur auf Fragen der Spielrunde weitere Hintergründe zu liefern: Die Bilder in den Köpfen der Spielenden sind wichtiger als Detailwissen über die Spielwelt.

Kürzlich erschien die deutschsprachige Ausgabe von How To Write Adventure Modules That Don’t Suck (Goodman Games) unter dem inspirierten Titel ‌ Wie man Abenteuer schreibt, die nicht grottenschlecht sind bei System Matters. Darin gibt einige weiterführende Artikel, besonders möchte ich euch aber Hört nur! Ich glaub’, ich rieche was! von Anne K. Brown zu exakt diesem Thema empfehlen.

4 Gedanken zu „„Show, don’t tell“ im Rollenspiel“

  1. @Moonmoth Hmm, reden wir jetzt vom Am-Tisch-Leiten oder vom Modul-Schreiben?

    Bei letzterem ermahnt sowas bei dern Fähigkeiten von 90% der Autoren schnell in Kandidaten für den Bulwer-Lytton Contest, verminderter Usability durch Füllerparagraphen und im schlimmsten Fall verminderter Spieler-Wirksamkeit aus.

    • @mhd @Moonmoth@moonmoth.de ganz ehrlich musste ich bei deinem zweiten Absatz auch dreimal ansetzen und einmal googeln um zu verstehen was du meinst. 😎

      In Text rede ich von „am Tisch“ und auch geschriebenen Modulen. Meine Faustregel: Lieber „Purple Prose“ als Exposation. Plus: In den letzten Jahren erlebe ich gerade in der „old school“ Szene immer mehr Leute, die ihre Runden trocken wie KoSims leiten.

      • @moonmoth@pnpde.social @Moonmoth@moonmoth.de Letztere oft aber auch voll bewusst, entweder als allgemeine Stilfrage, oder wegen der komprimierten Terminplanung (2h online games sind überraschend beliebt).

        Ich denke dass wir, wie bei allen Internetdiskussionen(tm) hier zu 90% übereinstimmen, ich bekomme halt geprägt durch grausigsten Box-Text von TSR und Schmidt Spiele hier traumatische Flashbacks.

        Neben dem Gefälle zwischen Boxtext und konversationellem Spiel bei vielen SLs, hab’ ich auch schlechte Erfahrungen mit der dünnen Grenze zwischen Sinnes- und Gefühlswahrnehmung gemacht. Und gerade brandaktuell: das Herunterspielen individueller Fantasie. Das sehe ich gerade mit viel zu viel Stock Photos und KI Nutzung im Extremen, trifft aber IMHO auch schon bei Karl May-artiger Detailgestaltung ein.

        Wo wir aber bei der OSR wären, hier finde ich manche der eher “bullet point”-artigen Abenteuer recht vorbildlich, wo die Wahrnehmungs-Elemente so integriert sind, aber eben nicht an Pixi-Buch-Vorlesetext gebunden. Das führt dann auch am Tisch eher zu einer knappen Präsentation.

        • @mhd @Moonmoth@moonmoth.de Ich sehe, was du meinst.

          Allerdings stellen gerade die OSE-Abenteuer im "bullet point“-Format hohe Anforderungen an unerfahrene SL und ich muss sagen, dass ich z.B. die DCC-Vorleseboxen cool und stilprägend für ihren Stil empfinde.

          Ich würde also sagen: Vorlesetexte müssen definitiv nicht sein, aber wenn man sie macht: Dann bitte knapp und bitte „in gut“: nicht mit jeder Teppichfluse darin, sondern nur als Einführung in die Szene.

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